Das war harte Arbeit….

Es ist noch dunkel, als ich heute im halb fünf aufstehe um zu Frühstücken. Nachdem mich die Nestwärme verlassen hat, finde ich es auch ziemlich kalt und ich ziehe Schicht um Schicht an. Langsam kriechen auch die anderen aus ihren Autos und ein reges Treiben beginnt. Endlich wird es auch heller, und man kann auch etwas sehen. Bereits um halb sieben macht sich Mario auf den Weg Richtung grosse Scheidegg, bepackt mit einem Rucksack voll Bidons.

 Heute fahre ich zum ersten Mal mit dem Schweizermeistertricot- verleiht es mir heute Flügel oder wird es eher zur Last?

Dann der Start um sieben Uhr, es geht gleich ziemlich schnell los.Vom Parkplatz der Männlichenbahn geht es durch Grindelwald hinauf zur grossen Scheidegg. Steiner und Wipfli fahren vor mir, ich im Schlepptau, doch die beiden drücken so grosse Gänge und schlagen ein horrendes Tempo an, ich muss abreisen lassen, und mein Tempo fahren. Ich habe die beiden immer im Sichtweite, obwohl sich Steiner immer weiter vorne arbeitet. Mir läuft es nicht so gut, ich habe Mühe mit atmen – es ist ziemlich kühl – doch ich versuche mich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Auf der grossen Scheidegg habe ich über eine Minute Rückstand auf Steiner, dazwischen ist noch Wipfli. Bei der Abfahrt nach dem First kann ich Wipfli überholen und abhänge, dies ist gut für die Moral. Als ich bei Erich vorbei komme im Bord, habe ich bis auf 7 Sekunden auf Steiner aufgeschlossen. Wir fahren ein kleines Stück zusammen, doch dann kann sie mich nochmals abhängen und zieht davon hinauf aufs Feld. Dann die Abfahrt und ich kann wieder zu Steiner aufschliessen und sie auch gleich überholen. Jetzt versuche ich möglichst schnell runter zu fahren, damit ich mit Vorsprung in die nächste Steigung hinauf zum Bord (zum zweiten Mal). Den Bergpreis auf dem Bord kann ich gewinnen und weiter geht es auf Umwegen zurück nach Grindelwald. Ich versuche zu drücken, denn ich weiss Steiner ist heute mega stark im Aufstieg. Endlich bin ich unten in Grindelwald und nehme den Aufstieg zur kleinen Scheidegg in Angriff. Ich habe mir doch ein kleines Polster an Vorsprung angelegt, doch ich kann mich nicht ausruhen, denn wenn ich daran denke, welche Gänge Steiner drücken kann wird mir fast schlecht, denn heute habe ich keine guten Beine zum Berghoch fahren. Der Beginn in diesem Aufstieg geht ziemlich gut, obwohl es noch schwierig zum Einschätzen ist, wie schnell ich wirklich unterwegs bin, denn ich bin ganz alleine. Ich bin doch schon einige Zeit unterwegs, und frage mich, wie lange es wohl noch geht, bis ich oben bin. Da ich das Rennen erst ein einziges Mal gefahren bin (2004) kann ich mich nicht mehr wirklich an die Strecke erinnern. Ich weiss nur noch dass ich irgendwann noch schieben muss. Ich denke immer jetzt muss es doch kommen, doch ich fahre Kurve um Kurve, es scheint nicht enden zu wollen. Ich frage einen Streckenposten, wie viele Kilometer es noch bis zur kleinen Scheidegg ist. Noch drei Kilometer bekomme ich zur Antwort, das ist machbar denke ich. Doch nur einige Meter weiter ein Schild, das mir zeigt, es sind noch SECHS Kilometer und fast 500 Höhenmeter. Uffff, das dauert ja noch :-(. Also denke an etwas schönes und weitertreten, treten, treten, treten….. Es kommen immer wieder kleine Steile Rampen, die zu überwinden sind. Irgendwann muss ich nochmals absteigen und mein Bike etwas schieben, ich brauche einfach etwas Abwechslung. Dann endlich das Schiebe- bzw. Tragestück, oben ankommen, drehe ich mich kurz um und werfe einen Blick hinunter, ich will schauen, ob ich Steiner oder Wipfli ausmachen kann, keine der beiden ist in Sicht. Ich glaube langsam an einen Sieg, doch ich bin noch nicht im Ziel, es sind immer noch 20km. Doch ich bin schon bald oben. Ich fahre weiter, komme an einem Brunnen vorbei, Erinnerungen kommen auf – als ich hier mit Erich mal durchgefahren, das war ein toller Tag gewesen. Schöne Gedanken und es geht gleich wieder etwas besser. Endlich ich bin oben, ich habe den zweiten Bergpreis auch gewonnen. Jetzt geht es wieder hinunter, doch leider zufrüh gefreut, es kommen immer wieder kürzer und länger Gegensteigungen. Die tun richtig weh, vorallem wenn man denkt es geht nur noch runter. Zwischendurch bin ich aber auch mal froh, dass es wieder etwas hoch geht, denn es ist ziemlich kalt, wenn es so rassant hinab geht. Endlich bin ich unten im Tal, doch noch nicht im Ziel, denn nun kommt der letzte Kilometer, in dem nochmals einige Höhenmeter zu bewältigen sind. Die sind hart, doch dieses Mal geht es mir leichter (als noch vor vier Jahren) denn nun weiss ich, ich habe es geschafft, ich kann dieses Rennen gewinnen.

Gezeichnet vom harten Rennen, komme ich nach 5 Stunden 13 Minuten ins Ziel. Ich bin mega froh hier gewonnen zu haben, denn für mich war das Schweizmeistertricot definitiv eine Last, die ich heute zu tragen hatte, erwarteten doch alle, dass ich hier sowieso gewinnen würde. Doch Steiner (die hier schon acht Mal gewonnen hatte) und Wipfli (auch schon viermal am Start) sind heute ein sehr starkes Rennen gefahren, vorallem kannten sie die Strecke besser als ich, was sicher auch ein Vorteil war. Ich denke heute habe ich das Rennen definitiv in der Abfahrt gewonnen und nicht im Aufstieg.

Ich möchte mich bei allen Betreuern und Fans bedanken auch euch braucht es um diese tollen Erfolge erreichen zu können und es ist sowieso viel schöner, wenn sich andere mit mir freuen!!!

Ich wünsche allen einen guten Start in die neue Woche!

                                                                                     Eure Esther