Aargauer Sport
Allen Widerständen zum Trotz
Von Fabio Baranzini (Text und foto)
Mountainbike Die 43-jährige Küttigerin Esther Süss fährt ohne Team, ohne Trainerund fast ohne finanzielle Unterstützung. Aufgebenwill sie aber trotzdem nicht.
Esther Süss blickt der Zukunft trotz vielen Problemen optimistisch entgegen.
Für Esther Süss war es bei ihrem neunten Start am Cape Epic bereits der dritte Triumph. Die Küttigerin hatte das prestigeträchtige Etappenrennen in Südafri- ka bereits 2011 und 2012 gewinnen können. Aber der dritte Triumph, den sie vor eineinhalb Wochen gemeinsam mit ihrer schwedischen Partnerin Jennie Stenerhag herausgefahren hatte, ist ein ganz besonderer. Und das nicht nur, weil die Konkurrenz stark war und die Experten vor dem Rennen nicht an ei- nen Sieg des schwedisch-schweizerischen Duos geglaubt hatten.
«Nach der schwierigen letzten Saison war dieser Sieg für mich eine grosse Ge- nugtuung. Ich habe gezeigt, dass ich noch immer zu den Besten gehöre», sagt Süss. Gemessen an dem, was in den vergangenen Monaten bei Esther Süss al- les schiefgelaufen ist, ist ihr Sieg am Cape Epic in der Tat noch höher einzustufen.
Vertrag verloren
Rückblick: In der Vorbereitung auf die Olympischen Spiele in Rio entschied Esther Süss vor gut anderthalb Jahren, sich von ihrem langjährigen Trainer zu trennen. Sie suchte neue Impulse und arbeitete dafür mit zwei deutschen Coa- ches zusammen. Was gut begann, endete schon bald in einem Chaos. Nach gu- ten Resultaten in Südafrika büsste sie bei den ersten Weltcuprennen viel Zeit ein. «Ich fühlte mich jeweils ab Rennhälfte leer und auch in den Aufstiegen – eigentlich meine grosse Stärke – verlor ich viel Zeit», so Süss.
Im Mai zog sie die Notbremse und trennte sich von ihren Trainern. Doch zu je- nem Zeitpunkt war bereits klar, dass sie die Olympischen Spiele verpassen würde. «Ich fiel in ein Loch. Ich verlor den Spass und hatte den Kopf nicht frei, um Rennen zu fahren», blickt Süss zurück. Entsprechend blieben auch die Resultate aus. Erst gegen Ende der Saison fing sie sich wieder und fuhr bei Langdistanzrennen einige gute Resultate heraus.
Doch ausgerechnet in dieser Phase des Aufschwungs folgte der absolute Tief- schlag. Als Esther Süss im Oktober ihrem Team die Rennbikes zurückbrachte, teilte ihr der Teammanager der Equipe Wheeler/ Intercycle mit, dass sie im kommenden Jahr keinen Vertrag mehr erhalte. «Das zog mir den Boden unter den Füssen weg. Die Nachricht kam aus dem Nichts, denn noch im September hatte man mir zugesichert, dass man lediglich noch die letzten Details des Ver- trags ausarbeite. Und dann wurde die Zusammenarbeit nach zehn Jahren ein- fach so zwischen Tür und Angel beendet mit der Begründung, ich passe nicht mehr ins Konzept», erzählt Süss.
Die Enttäuschung sass tief bei Esther Süss. Ihr erster Gedanke auf dem Weg nach Hause: «Jetzt höre ich auf.» Die Motivation war weg. Die Chance, so kurz vor der neuen Saison ein anderes Team zu finden, war verschwindend gering. Doch Esther Süss rappelte sich wieder auf. Auf diese Weise wollte die Mara- thon-Weltmeisterin 2010 und Olympia-Fünfte von London 2012 ihre Karriere nicht beenden. «Es hätte einfach nicht gepasst. Der Abschluss hätte gefehlt», sagt Süss.
Den Spass wieder gefunden
Und so kämpft sie seit letztem Herbst alleine weiter. Ohne Team, ohne Trainer und ohne finanzielle Unterstützung. Der Lohn vom Team, die Prämien sowie das Budget für die Startgelder, die Reisen und die Unterkunft fallen weg. Es ist ein Betragin der Höhe von rund 50000 Franken, den Esther Süss nun aus der eigenen Tasche bezahlen muss. Einzig das Material kann sie über ihren Freund und Mechaniker Erich Birchler, der ein eigenes Bikegeschäft in Küttigen be- treibt, günstiger beziehen. Einen weiteren Zustupf erhält sie aus ihrem Crowd- funding-Projekt auf der Plattform «I believe in you», das noch wenige Tage läuft.
Wie lange sie so noch weiterfahren will, weiss Esther Süss derzeit noch nicht. «Ich trainiere noch immer gerne und auch Rennen zu fahren, macht mir Spass. Wenn das so bleibt, mache ich noch weiter. Über diese Saison hinaus, ist aber noch nicht geplant.»