„die Sonne scheint“…… Grand Raid

Um vier in der Früh geht der Wecker, ich habe nicht so gut geschlafen und fühle mich noch etwas müde, doch da gibts kein pardon, ich muss raus. Ich schalte den Fernseher ein, ich will schnell schauen, was Rötlin in Peking gemacht hat – 6. Rang!

Dann mache ich mich auf zum Frühstücken, doch die Türe ist noch geschlossen, ich klopfe und mir wird erklärt, dass es erst um fünf Frühstück gibt. Obwohl ich überzeugt bin, dass der Patron gesagt hat es gebe ab vier Uhr Frühstück, werden wir uns nicht einig. Ich kann sie dann soweit überreden, dass sie mir heisses Wasser und Tee macht.

Dann packen, was kommt wo rein, was brauche ich wann, es ist bereits halb sechs und ich fahre mich auf der Rolle warm, dann nochmals die Luft kontrollieren und alles ins Auto laden, denn Dädi und Werner wollen um sechs losfahren. Es ist dann schon bald viertel nach sechs, als sie endlich wegkommen. Ich gehe mit meinem Rucksack zum Start, nein ich fahre heute nicht mit Rucksack :-), doch ich kann meine Kleider für’s Ziel Turi mitgeben. Danke!

Ich stelle mich in den ersten Startblock in die vorderste Reihe, doch je später es wird, je mehr Leute stehen schliesslich vor mir, auch egal, das Rennen ist ja so lange – 121 km von Verbier nach Grimentz.

 

Dann der Startschuss, es ist noch nicht mal richtig hell (6.30 Uhr) es geht hinauf zum La Tzoumaz, die Männer schlagen gleich ein hohes Tempo an, bei uns Frauen geht es da etwas „gemütlicher“ los, müssen unsere Kräfte doch noch lange reichen.

Schon bald habe ich ein Mann aus dem Team von Saner neben mir, der mich beschattet. Doch das ginge ja noch, doch er versucht mich immer wieder abzudrängen, das nervt mich sehr. Immer wenn ich mir ein Hinterrad suche, drängt er mich ab, ich bitte ihn damit aufzuhören, doch entweder hört er es nicht, da er Musik im Ohr hat, oder aber er will es gar nicht hören. Sodass ich dann nichts mehr sage und mich auf mich selber konzentriere. Plötzlich ist er nicht mehr bei mir sondern bei Saner. Ich bin froh, denn in der Abfahrt hätte das vielleicht richtig gefährlich werden können……

Als erste Frau erreiche ich den ersten Übergang, und es geht in einer schnellen Fahrt hinunter Richtung Nendaz, es ist eiskalt, denn ich nehme mir nicht die Zeit das Gilet anzuziehen, da es mir bei einem ersten Versuch nicht gelungen ist, so stosse ich es mir einfach vorne unters Tricot. Im Augenwinkel sehe ich hinter mir Saugy, die zu mir aufschliesst. Ich hänge mich ihr an und sehe ihr an, heute ist sie voll parat. Ich stelle mich auf ein hartes Rennen ein, denn auch sie will das Rennen gewinnen. Gemeinsam fahren wir bis nach Nendaz und weiter nach Veysonnaz. Die erste Verpflegung ist vorbei und die Sonne kommt immer höher, auch die Temperaturen sind jetzt schon viel angenehmer als noch am Start. Nach Veysonnaz geht es wieder hinauf, schon bald kommt die zweite Verpflegung, ich drinke nicht so viel, und überlege mir bereits ob ich zwei oder nur einen Bidon nehmen soll. Doch ich brauche mich nicht zu entscheiden, denn es ist niemand da! Ich bin nicht so beunruhigt, denn in Hérémence steht ja noch jemand vom Stöckliteam, der mir einen Bidon geben kann. Doch ich habe Hérémence hinter mir aber immer noch keinen Bidon bekommen. Zum Glück habe ich bei der offiziellen Feedzone eine Wasserflasche genommen. Denn nun muss ich mit dem Wasserbidon über den Mandelon. Dann im Aufstieg zum Mandelon kann ich Saugy etwas distanzieren, das setzt neue Kräfte frei, das brauche ich jetzt, die Gewissheit, dass es auch mit Wasser geht. Oben komme ich zum Singletrail, der ist wirklich schön, aber auch manchmal etwas knifflig. Ich will nicht zu viel riskieren, keine Panne haben und steige zwischendurch auch mal ab. Nach dem Singletrail geht es wieder auf einer schnellen Abfahrt hinunter nach Evolène. Ich hoffe ganz fest, dass dort ein Bidon auf mich wartet.

Und wirklich da steht sie, das Mami von Joel, ich bin mega froh endlich wieder meinen Bidon zu bekommen. Jetzt kommt schon der nächste Anstieg – letztes Jahr musste ich hier ohne Getränk rauffahren und es war mega heiss! Nach dem Aufstieg auf Schotter folgt ein schöner Singletrail im Wald – hier hatte ich letztes Jahr einen Sturz, der mit einem „achti“ im Vorderrad endete – es ist also nicht mehr weit bis Eison, der nächsten Verpflegung. Da warten auch schon bereits Dädi und Werner auf mich. Ich habe in Evolène etwa fünf Minuten Vorsprung auf Saugy gehabt und ein Minute dahinter kommt Saner ….. Ein guter Vorsprung, aber ausruhen kann ich mich nicht. Ich nehme die letzten 1200hm in Angriff. Ich fahre ein gutes Tempo, aber nicht ganz am Limit, denn falls Saugy auf einmal kommt – es ist nicht einfach zu erkennen, denn es sind nun so viele BikerInnen auf der Strecke, dass es schwierig ist einzelne Personen auszumachen – ich allenfalls mitgehen könnte.

Ich versuche mich nach vorne zu orientieren, Biker um Biker kann ich überholen, doch das heisst noch nichts, ist das Ziel vieler, einfach durch zu kommen (das ist eine grosse Leistung!!), da spielt die Zeit keine Rolle. Ich fahre weiter, ich kann den Pas da Lona zum ersten Mal sehen, es bessert langsam, denke ich mir. Dann sagt ein Fahrer neben mir wir sind 6 Stunden 15 Minuten unterwegs, ich denke, jetzt sind die ersten Männer bereits im Ziel, und ich noch weit vom Pas da Lona entfernt. Dann die letzte Kurve, jetzt die Verpflegung unterhalb des Pas de Lonas. Es geht nun über eine Singletrail weiter, die meisten schieben ihr Bike. Ich versuche solange als möglich zu fahren, das muss ich schon nicht gehen. Doch dann bin auch ich am Schieben.

 Menschen – wie Ameisen – kämpfen sich den Berg hoch, ich sage euch das ist mega anstrengend. Es geht über eine Gröllhalde hinauf, im Zick-zack Marsch einer hinter dem Anderen, Schritt für Schritt dem Gipfel entgegen. Ein Mann, den ich nicht kenne, rennt neben mir her und schreit andauerend „vas-y Esther vas-y“, schreit mir den Weg frei und ich keuche den Berg hoch, der Rücken schmerzt, die Waden brennen, die Arme tun weh…. zum Glück gibt es so viele Leute die mich anfeuern. Ich kämpfe, denn nun will ich den Sieg auf keinen Fall mehr aus den Händen geben. Ich habe keine Zeit einen Blick zurück zu werfen – ist auch besser so, denn es hätte viel zu lange gedauert um da bestimmte Personen zu suchen.

Endlich bin ich oben, ich möchte mir gerne etwas  am Verpflegungsstand holen, doch „mein Pacemaker“, lässt mir keine Chance, schreit mich auf’s Bike, gibt mir einen Schluck Cola und weg bin ich. Ein Singletrail runter, immer wieder schreie ich „Verbier“ das ist das Codewort, damit mich die anderen vorbeilassen. Dann die letzten Höhenmeter hinauf, es sind „nur“ noch 157hm laut Patrick, der es ja wissen muss, ist er doch schon vierzehn Mal gefahren. Doch diese letzten Höhemeter scheinen sich in die Länge bzw. in die Höhe zu ziehen, sie wollen nicht enden, ich gebe alles, weiss ich doch nicht, was sich inzwischen hinter mir abgespielt hat. Zudem möchte ich in der Abfahrt nicht alles riskieren müssen, damit es keine Panne oder gar einen Sturz mehr geben kann. Jupiiii ich habe es geschafft, es geht nur noch runter, jedenfalls fast. Zuerst geht es auf Schotter schnell abwärts, gebremst durch enge Kurven und langsamere Fahrer, die aber möglichst schnell Platz machen, sobald sie „Verbier“ hören.

Dann kommt ein Singletrail, aber nichts schönes, denn es schlägt unglaublich und das nach über sieben Stunden Fahrzeit, dass geht ganz schön an die Substanz und ich muss mich nochmals total konzentrieren, denn das Rennen ist noch nicht gewonnen. Jetzt noch dreimal durch den Bach, hier ist es auch viel schwieriger zum überholen, doch irgendwie geht es und ich komme auf die letzten drei Kilometer. Der Weg ist wieder breiter aber voll grobem Schotter. Ich wünsche mir nur noch endlich im Ziel zu sein. Jetzt noch eine kurze Wiesenpassage, ich sehe den Zielbogen, ich habe es geschafft!! JJJJJJEEEEEEHHHHHHH!!

Doch habe ich die anfänglichen Attacken nicht vergessen, und ich bin immer noch ziemlich aufgebracht, sodass ich irrtümlicher Weise eine falsche Person beschuldige, bei der ich mich aber inzwischen entschuldigen konnte. Trotzdem finde ich es gar nicht fair, wenn man so versucht ein Rennen zu gewinnen. Wenn mich jemand aus eigener Kraft schlägt, kann ich das sehr gut akzeptieren, aber so finde ich das absolut daneben. Ich hoffe das kommt nicht mehr vor!!

Es ist ein total schönes Gefühl hier gewonnen zu haben, vorallem da die Konkurrenz wirklich stark war, was für den Frauenrennsport nur gut ist. Ich freue mich noch auf viele so spannende Rennen!!

Ganz herzlich gratulieren möchte ich Myrjam Saugy, die ein sensationelles Rennen gefahren ist!! Und auch Pascal zu seinem ersten Mal am Grand Raid, den er unter neun Stunden beenden konnte!

Vielen Dank auch meinen Betreuern, die alles gegeben haben, Danke Dädi und Werner. Auch Joel Mutter ein Dankeschön!! Und allen anderen die etwas beigetragen haben zum erneuten Sieg.

Somit wünsche ich allen eine schöne Woche.

                                                                                                Eure Esther